Gurus


Das Thema "Gurus" ist wie die Suche selbst ein facettenreiches. Es kann einfach, kompliziert, höchst befriedigend, aber auch gefährlich sein.

 

Am Anfang einer spirituellen Reise fragen sich mache, ob es überhaupt notwendig ist, die Hilfe eine Gurus Anspruch zu nehmen. Besonders hier im Westen haben in der 2. Hälfte des 20. Jhd. viele exotische Charaktere Schlagzeilen gemacht, die das Bedürfnis vieler Sucher nach spiritueller Führung ausgenutzt und sie sowohl in spiritueller als auch materieller Hinsicht betrogen haben. Es ist größtenteils ihnen zu verdanken, dass das Prinzip eines spirituellen Führers auf dem Weg zur Erleuchtung heute immer noch einen fragwürdigen Ruf hat.

 

Doch auf den Aspekt der falschen Gurus möchte ich erst am Schluss dieses Kapitel eingehen. An dieser Stelle möchte ich die erste Frage beantworten, ob Gurus überhaupt notwendig sind.

 

Unter den gegebenen Umständen ist diese Frage mit einem fast 100-prozentigen Ja zu beantworten. Ohne die Hilfe eines echten und wahren spirituellen Führers ist es heute so gut wie unmöglich, das Ziel aller spirituellen Suche, die Erleuchtung, die Einheit mit Gott zu erreichen. Es hat auch in der Vergangenheit nur sehr wenige Menschen gegeben, die es – vordergründig – aus eigener Kraft geschafft haben, zur Erleuchtung zu gelangen und Buddha ist einer davon. Gerne wird Er von heutigen Anhängern des Buddhismus als Beispiel angeführt, dass es möglich sei, sich selbst zu erlösen. Doch dabei wird vergessen, dass Buddha kein gewöhnlicher Mensch war. Tatsächlich war er die Inkarnation von Luv, einem der Söhne von Shri Rama:

 

Das ist der großartige Beitrag von Markandeya. Später inkarnierte er als Buddha und dann als Adi Shankaracharya. Es ist dieselbe Persönlichkeit. Eigentlich war er ursprünglich der Sohn von Rama, Luv, und ging nach Russland. Das ist der Grund, warum sie Slaven genannt werden. Er herrschte in Russland. Ramas anderer Sohn, Kush, ging nach China und darum werden sie Kushana genannt. Sie inkarnierten immer wieder als Hassan und Hussein, als Mahavira und Buddha und als Adi Shankaracharya und Jnaneshwara.[1]

 

Buddha hatte also bereits viele Leben eines sehr hohen spirituellen Standards gelebt und sein subtiles System so gereinigt, dass Er seine Erleuchtung erlangen konnte. Genauer gesagt hat die Adi Shakti, die Urkraft des Universums sie ihm gewährt, denn letztlich ist es alleine immer Sie, die - wenn auch in verschiedener Gestalt oder durch die Vermittlung verschiedener Personen - die alleinige Macht dazu hat.

Einerseits können die meisten heute lebenden Menschen kaum auf eine solche Geschichte zurückblicken und andererseits ist es eine Tatsache, dass die Selbst-Verwirklichung selbst, d. h. die Erweckung der Kundalini, nur von autorisierten Personen durchgeführt werden kann. Autorisiert heißt in diesem Fall, dass diese Personen selbst die Selbst-Verwirklichung nachprüfbar erfahren haben.

 

Es mag vielen individualistisch orientierten Suchern nicht gefallen. Doch zu glauben, man könne die Kundalini selbst ohne die Hilfe oder die Präsenz eines erleuchteten Satgurus (wahren Gurus) erwecken, ist leider eine Illusion. Die Autorin Linda Williams lässt es einen ihrer Protagonisten im ersten Band ihrer Trilogie Das Erwachen von Navi Septa so ausdrücken:

 

Diese Krähengestalt, wie du ihn treffend nennst, ist ein sehr gefährlicher Schwarzmagier. Seine Reiche sind die Seelen der Menschen, die die Wahrheit suchen, die aber glauben, dass sie sie alleine finden können, ohne demütig die Kraft von Wesen zu respektieren, die höher entwickelt sind als wir Menschen. Mit etwas Glück schaffen wir es noch rechtzeitig, um deine Freunde zu retten.[2]

 

Man kann davon ausgehen, dass sich das Göttliche dieser Tatsachen auch bewusst ist. Da ihm das Schicksal seiner Schöpfung keinesfalls egal ist, wie manche gerne annehmen, sind in der Geschichte der Menschheit – und sogar auch schon davor – immer wieder hochentwickelte spirituelle Meister auf der Erde inkarniert. Ihre spezielle Aufgabe war es, die Menschen dieser Zeit und in ihren jeweiligen Gesellschaften auf ihrer evolutionären Reise zu unterstützen und zu helfen. Genauer gesagt sind hier göttliche Inkarnationen gemeint, die auf einer kollektiven Ebene den Rahmen des richtigen menschlichen Verhaltens absteckten, ohne das eine spirituelle Entwicklung nicht möglich ist. Dieser Rahmen wird in einigen Kulturen als Dharma oder in anderen als Ethik oder Moral bezeichnet. Insgesamt waren es 10 Inkarnationen ein und desselben Prinzips des Urmeisters Shri Adi Guru Dattareya, die diese Lehren einer meist in einer degenerativen Phase befindlichen Gesellschaft vermittelten:

 

Shri Abraham, Shri Moses, Shri Zarathustra, Shri Sokrates, Shri Lao Tse, Shri Konfuzius, Shri Mohammed, Shri Sai Baba von Shirdi, Shri Raja Janaka und Shri Guru Nanak.

 

Im weiteren Sinne kann man auch alle anderen göttlichen Inkarnationen als Gurus bezeichnen. Denn sie alle haben dieselben Prinzipien verinnerlicht und gelehrt, die von den o. g. mit verschiedenen Worten, aber immer mit demselben Ziel vermittelt wurden – nämlich einen mittleren Pfad der Mäßigung und es Gleichgewichts und des Vermeidens von Extremen zu propagieren. Dies dient der Erhaltung und ohne dies ist der spirituelle Aufstieg nicht möglich.

 

Von diesen Rahmenbedingungen einmal abgesehen, sollte es natürlich auch das Ziel eines wahren Gurus sein, seinen Schülern die Selbst-Verwirklichung zu geben und sie so selbst zu ihrem eigenen Guru zu machen. Allein diese Konditionen werden von den wenigsten der sogenannten Gurus erfüllt, die besonders hier im Westen viel Zulauf hatten. In der Tat ist es so, dass einige dieser „Schwergewichte“ unter den falschen Gurus, wie Patrick Sheridan[3] sie genannt hat, eigentlich genau das Gegenteil wollen. Sie wollen die Sucher vom wahren Pfad ablenken, sie im wahrsten Sinne des Wortes hinter das göttliche Licht führen und somit ihren Teil zum großen Spiel des Guten gegen das Böse beitragen, denn ja, in dieser Dimension bewegen wir uns!

 

Mittlerweile hat sich hoffentlich herumgesprochen, dass wahre spirituelle Größe sich nicht an der Zahl der Rolls Royce oder farbenfrohen Gewändern, ob in rot, gelb, purpurn oder weiß bemisst. Auch nicht an geheimen Mantras, Mitgliedschaften oder „spirituellen“ Einweihungskursen, für die man viel Geld bezahlen muss oder an „magischen“ Kunststücken. Auch nicht an selbst verliehenen, sogenannten religiösen Titeln oder Positionen.

 

Hier eine kurze Passage aus dem Vorwort zu Freuds Betrug, in der bereits einiges zu diesem Aspekt gesagt wurde. Auch Freud kann man getrost als einen der populärsten falschen Gurus bezeichnen, obwohl er hier auch nur stellvertretend für all die anderen genannt wird, die m. o. w. von der Öffentlichkeit bemerkt, ihr Unwesen treiben bzw. getrieben haben:

 

          Von falschen Gurus abgesehen muss von Seiten der Sucher her auch das beliebte wahllose Guru-Shopping in Frage gestellt werden, das unkritische Sucher teilweise praktizieren. Manche wählen ihre Gurus sogar nach "spirituellen Sonderangeboten" aus und fallen so erst recht Scharlatanen in die Hände, die exotische Wahrheiten verkünden, die aber eigentlich auch niemand ernsthaft nachprüfen kann oder will. Nebenbei wird das Bankkonto der Jünger geleert, was sie im Namen ihrer erhofften Erlösung oder Befreiung auch bereitwillig geschehen lassen. Wahre spirituelle Wahrheit gibt es nicht zu kaufen oder ist nicht nur Reichen vorbehalten, die es sich leisten können:

 

"Die Reichen füllten für ihre spirituelle Zukunft tatsächlich die Bankkonten falscher Gurus. Die Naivität dieser Menschen ist kaum nachzuvollziehen, wenn man darin nicht eine Art verschleierten Egoismus sieht. Sie glauben vielleicht, sich ihr Heil ohne weitere Anstrengungen erkaufen zu können, wenn sie ihr überschüssiges Geld oder zumindest den Großteil davon ihrem Guru geben. Wie sagte doch Christus: ‚Es ist leichter, dass ein Kamel durchs Nadelöhr geht, als dass ein Reicher ins Reich Gottes eintritt.’"[4]

 

          Selbstverwirklichung oder spirituelles Wachstum haben ebenfalls nichts mit okkulten Praktiken, übernatürlichen Kräften oder außersinnlichen Wahrnehmungen zu tun … [S]pirituelle Medien, Geisterbeschwörer, Hypnotiker, Hellseher oder auch Geistheiler [arbeiten] in Randbereichen des subtilen Systems (Unterbewusstsein, Überbewusstsein), die nicht auf dem zentralen Pfad der Evolution liegen … oder sie arbeiten mit Schwarzer (oder auch 'Weißer') Magie oder tantrischen Prinzipien.… Shri Ramana Maharshi, einer der wenigen wahren spirituellen Meister … der Neuzeit, wurde von Samuel S. Jones [einmal] hinsichtlich der Fähigkeit gefragt, sich unsichtbar zu machen:

 

"S. Jones: Es gibt Menschen, die sich unsichtbar machen können. Das vermochten unter anderen die Weisen Valmiki und Vasishta. Kann diese Fähigkeit als Beweis für höchste Weisheit (jnana) gelten?

Ramana Maharshi: Nein, sonst wären alle, die ihr Leben vor den Augen ihrer Mitmenschen verbringen, Nicht-Weise (ajnanis). Es war wohl das Schicksal dieser Weisen, neben ihrer Weisheit übernatürliche Kräfte (siddhis) zu entwickeln. Warum aber etwas erstreben, was unwesentlich ist, wahrscheinlich sogar hinderlich auf dem Weg zur wahren Erkenntnis?[5], [6]'“

 

Doch welche Erfahrungen ein spiritueller Sucher tatsächlich mit oder bei einem Guru macht, hängt auch entscheidend vom seinem eigenen Zustand, genauer gesagt, vom Grad der eigenen Fähigkeit ab, Richtiges von Falschem zu unterscheiden. Vielleicht können die folgenden Kriterien dabei eine Hilfestellung sein:

 

          Da es so wichtig ist, sollen an dieser Stelle kurz drei rationale Kriterien genannt werden, mit denen die Seriosität einer Lehre … auch ohne Selbstverwirklichung überprüft werden kann:

 

  1. Es ist erstens die Frage, ob etwas dafür bezahlt werden muss? Verlangt ein Guru oder eine Organisation Geld für die Selbst-Verwirklichung (oder spirituelle Erkenntnis), so ist es ein Betrug. Für die Wahrheit kann man nicht bezahlen.
  2. Zweitens ist zu fragen, ob das Leben des Gurus transparent ist und ob er das lebt, was er predigt? Predigt ein Guru z. B. Bescheidenheit und isst selbst von goldenen Tellern?
  3. Und drittens: Wie sind die Schüler des Gurus? Sind es normale Menschen oder bizarre Exoten?

 

Der tatsächliche Beweis für eine erfolgreiche Selbst-Verwirklichung … kann jedoch nicht rational oder verbal geführt, sondern muss erfahren werden. Wird die Kundalini im Zentralkanal erweckt, … so spürt das der Meditierende und auch Außenstehende als kühle Brise über dem Scheitel und auf den Handflächen. Diese Brise wird in heiligen Schriften beschrieben als der Wind des Heiligen Geistes (Bibel), als Ruh (Koran), als Ruach (semitisch), als Ritambhara oder als Paramchaitanya (Hindu-Schriften). Die Feuerzungen, von denen am Pfingstereignis die Rede ist, symbolisieren ebenfalls die Öffnung des obersten Chakras und das Austreten der Kundalini-Energie, eine Tatsache, der sich aber heute wohl die wenigsten kirchlichen „Fachleute“ noch bewusst sind.

 

Die kühle Brise ist der Beweis für die Öffnung des letzten Energiezentrums, für die wahre Erleuchtung, die wahre Taufe und für den erfolgreichen Aufstieg der Kundalini. Sie kann nicht künstlich erzeugt oder imaginiert werden.[7]

 

 

Literaturnachweise:

[1] Shri Mataji Nirmala Devi, 1988: Shri Markandeya Talk (09.06.1988, eigene Übersetzung), Wien

[2] Williams, L., 2014: Das Erwachen von Navi Septa, Erstes Buch, Die Schlüssel der Weisheit, Eine reale Fantasie, BoD, Norderstedt; Originaltitel: Williams, L., 2015: The Awakening of Navi Septa, Book One, The Keys of Wisdom, A Fantasy of Reality, Pegasus Elliot Mackenzie Publishers Ltd., Cambridge, UK

[3] Sheridan, P.: 2012: Und du erwartest zu fliegen – Auf der Suche nach dem wahren Ich, BoD, Norderstedt; Originaltitel: Sheridan, P., 2010: Expecting to Fly – In Search of the Spirit, authorhouse, Central Milton Keynes, UK

[4] Shri Mataji Nirmala Devi, 2000: Das Metamoderne Zeitalter, Sahaja Yoga Germany e. V. (Hrsg.), Dallgow; Titel der englischen Originalausgabe: Shri Mataji Nirmala Devi, 1996: The Meta Modern Era, Vishwa Nirmala Dharma (ed.), Pune, India

[5] Cohen, S. S, 1992: Von der Illusion zur Wirklichkeit – Vertiefende Betrachtungen zu den Gesprächen Sri Ramana Maharshis, Ansata, Interlaken

[6] Torrey, E. F., 2011: Freuds Betrug – Der destruktive Einfluss der freudschen Theorie auf die amerikanische und westliche Denkweise und Kultur, BoD, Norderstedt

[7] Ibid.